Stadt wälzt Probleme auf Bürger ab
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Marl, den 4.2.2000
Leserbrief zu „Stadt wälzt Probleme auf Bürger ab" vom 2.2.2000
Anwohnerbeschwerden nehmen zu, in denen über lärmende Jugendliche, zweckentfremdete Spielplätze, Vandalismus, Müll und nächtliche „Partys" berichtet wird. Selbst das Spielen auf Schulhöfen oder Basketballanlagen stört ab und an die Ruhe der Anwohner. Mit solchen Eingaben und Beschwerden befaßt sich die Spielplatzkommission und der KJF (Ausschuß für Kinder-Jugendliche und Familie). Es kann daher nicht die Rede sein, daß sich Politik und Stadt nicht um diese Fragen kümmern. Wir wälzen die Probleme auch nicht auf die Anwohner ab. Jede Beschwerde hinterfragen wir ausführlich und oft genug in mehreren Sitzungen.
Als Jugendpolitiker und Vorsitzender des KJF stelle ich fest, daß der Freiraum für Jugendliche, ihre Möglichkeiten, sich wohnortnah zu treffen, ihrem Lebensgefühl und ihren Freizeitinteressen Ausdruck zu verleihen, immer engere Grenzen gezogen werden. Wer auffällt gehört aus der Siedlung weg, möglichst an den Rand der Stadt; ...aus den Augen, aus dem Sinn, liest sich zwischen so manchen Beschwerden. Das ist nicht der sozialräumliche, jugendpolitische Ansatz, den wir in Marl verfolgen.
Oft höre ich, „...wir Anwohner haben Probleme mit diesen Jugendlichen", keiner fragt einmal, ob diese Jugendlichen Probleme mit den Anwohnern haben. Jugendliche sind Teil der sozialen Wohngemeinschaft in den Siedlungen, mit allen Rechten und Pflichten. Wir Erwachsene müssen aber auch anerkennen, daß ihre Erlebnisräume schwinden und sie sich neue, informelle Treffpunkte schaffen oder bestehende Plätze umfunktionieren. Unsere Toleranz und Einsicht ziehen die Grenzen dessen, was wir ihnen zubilligen.
Wenn in der letzten KJF-Sitzung an Anwohner appelliert wurde, in Konfliktfällen durch moderierte Gespräche Lösungen zu finden, so ist das ein gangbarer Weg und kein Armutszeugnis. – Nachbarschaftskonflikte löst man auch nicht durch Rufe nach der Stadt. – Spielplatzkommission und der KJF wissen um die bedenklicheren Entgleisungen von Jugendgruppen, da helfen dann keine moderierten Gespräche. Administrative Maßnahmen zeigen, wenn überhaupt, nur zeitlich begrenzte Wirkung. Platzverweise o.ä. verlagern nur das Problem. Street-Worker wären die Lösung, das weiß die Politik. An dieser Fragestellung arbeiten wir im KJF, wohl wissend, daß solch ein neues Angebot derzeit nur zu realisieren wäre mit den vorhandenen Ressourcen und bei Aufgabe anderer, bestehender Jugendangebote.